Haushaltsrede der Gemeinderatsfraktion der SPD in Kirchzarten vom 19.01.2023 gehalten von Peter Meybrunn

Veröffentlicht am 29.01.2023 in Gemeinderatsfraktion

„Dunkle Wolken über den Gemeinden“ , so titelte die BZ am 27.12.2022!

„Belastungsgrenze überschritten – Es darf kein Weiter so geben“, lautet der Titel des Positionspapiers zur Situation der Städte und Gemeinden, verfasst vom Gemeindetag Baden- Württemberg.

Was verbirgt sich dahinter? Dieses Papier soll die Landesregierung und alle politisch Verantwortlichen auf die prekäre Situation der Gemeinden aufmerksam machen um die Aufgabenlast der Kommunen zu überdenken und auch finanziell besser auszustatten. Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass die Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ihre Grenzen erreicht hat. Das Leistungsversprechen des Staates und die Übertragung von immer mehr Aufgaben an die Kommunen, die Erhöhung der Standards für zu erfüllende Aufgaben und die Ausweitung von immer mehr Vorschriften, Gesetzen und Regelungen können nicht mehr erfüllt werden!

Die Luft für die Zukunftsgestaltung fehlt“ so heißt es in dem Positionspapier des Gemeindetages.

Ganz deutlich wird dies bei der Betrachtung der Personalaufwendungen unserer Gemeinde: Seit dem Jahr 2010 hat sich der Personalbestand um 41 Stellen, das sind 56%, erhöht; die Kosten haben sich von 3,5 Mio € in 2010 auf nunmehr 7,8 Mio € im Jahre 2023 weit mehr als verdoppelt! Ein großes Ärgernis ist die unzulängliche Beteiligung des Landes an den Kosten der Kindertagesstätten! Ich darf hier an die Resolution des Gemeinderates zur Übernahme der Personalkosten vom Land erinnern. Aufgrund der landkreisweiten Probleme hat das Landratsamt Breisgau- Hochschwarzwald nun eine Tak Force eingerichtet. Die BZ vom 05.Oktober 2022 berichtet darüber und spricht von frustierten Gemeindevertretern und verzweifelten Eltern. Es sind ja nicht nur die fehlenden Räumlichkeiten, sondern auch fehlende Erzieher und Erzieherinnen. Wenn dann Fr. Zahradnik* als Mitglied dieser Task Force den Bürgermeistern empfiehlt „ein paar Euro für die Erzieher draufzulegen, um sie bei der Stange zu halten“ ist das bestimmt nicht die Lösung des Problems.

Wie angesichts dieser Personal-Not die Umsetzung des „Rechtsanspruches auf Ganzragsbetreung an den Grundschulen“ ab 2026 gelingen soll, ist uns von der SPD-Fraktion ein Rätsel. Darüberhinaus ist die Frage der Schaffung der dafür notwendigen Räumlichkeiten noch völlig offen. Es bleibt abzuwarten, wieviel Bund und Land zur Finanzierung bei den entsprechende Baumassnahmen beitragen, oder ob wieder die Gemeinden auf einem Großteil Kosten sitzen bleiben.

Nun zurück zum Haushaltsplan für 2023: (weiter nach dem Klick)

Der Ergebnishaushalt schließt mit einem Minus von 4,165 Mio € ab. Und auch die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2024 bis 2026 zeigt negative Ergebnisse in Höhe von 2,8, 2,5 und 3,7 Mio €! Auch wenn diese Planzahlen für die Zukunft auf unsicheren Annahmen beruhen, zeigt der Trend doch deutlich, dass mit den jetzigen Rahmenbedingungen kein augeglichener Haushalt zu erreichen sein wird. Der Versuch des Gemeinderates dieses Minus-Delta zu verkleinern ist kläglich gescheitert!

 

Die Ertragsseite ist wenig beeinflussbar und noch weiter an den Steuerschrauben, wie Grundsteuer oder Gewerbesteuer zu drehen, halten wir angesichts der momentan schwierigen wirtschaftlichen Situation mit extrem hohen Energiekosten für nicht vertretbar. Die übrigen wesentlichen Erträge wie Schlüsselzuweisungen vom Land sind nicht durch uns steuerbar.

 

Bei den Aufwendungen sind die Transferkosten mit 15,1 Mio € der größte Posten und ebenfalls keine korrigierbare Größe. Es folgen mit 7,8 Mio € die Personalkosten. Dazu habe ich eingangs schon Stellung bezogen. Mit 3,8 Mio € schlagen die Aufwendungen für Sach- und  Dienstleistungen zu Buche. Dieser Betrag ergibt sich aus ca.120 Unterhalts-Maßnahmen, Erwerb von geringwertigen Vermögensgegenständen, Energiekosten wie Strom, Gas und Wasser, aber auch zB. Lehr- und Lernmittel. Der Finanzausschuss hat in langen Sitzungen alle vorgesehenen Maßnahmen geprüft und für richtig und vor Allem für notwendig erachtet.

 

Dass die Gemeinde Kirchzarten ein strukturelles Haushaltsroblem hat, wird besonders offensichtlich, wenn man die sogenannten Freiwilligkeitsleistungen anschaut. Ich darf beispielhaft einige davon auflisten:

  • Kinder- und Jugendbüro 164.000,- €
  • Jugendsozialarbeit 126.000,- €
  • Hort an den Grundschulen 399.000,- €
  • Dreisambad 500.000,- €
  • Sportförderung / Sportanlagen 393.000,- €
  • Safer- Traffic- Bus 32.000,- €
  • öffentliches Grün 506.000,- €

 

Für die SPD-Fraktion sind dies schon lange keine Freiwilligkeitsleistungen mehr, sondern „gesellschaftliche Pflichtaufgaben“, denn sie gehören einfach zum Aufgaben-Spektrum einer Gemeinde dazu.

 

Zurück zum zum stukturellen Haushaltsproblem:

 

Selbst wenn man ALLE Freiwilligkeitsleistungen streichen würde, verbleibt immer noch ein Minus von 1,79 Mio € im Ergebnishaushalt. Das heißt im Klartext, dass wir nicht in der Lage sind, die Aufwendungen für unsere gesetzlichen Pflichtaufgaben zu erwirtschaften! Wir sehen im Moment keine Lösung dieses grundsätzlichen Problems, solange die Finanzausstattung und die Aufgabenzuteilung durch das Land so bleibt. Die Verwaltung schreibt im Vorbericht zum Haushalt 2023:

„Um eine dauerhafte Leistungsfähigkeit der Gemeinde zu ermöglichen, sind Reduzierung der Aufwendungen, sowie Erhöhungen bei Erträgen notwendig und unumgänglich“.

Im Haushalts-Sicherungskonzept vom November 2022 sind dann Maßnahmen zur Ertragssteigerung in Höhe von gerade mal 65.000,-€ vorgeschlagen. Das bringt uns nicht weiter und wir sehen, dass die Verwaltung und den Kämmerer so ratlos wie auch wir sind.

Insofern – sehr geehrter Herr Bürgermeister - war Ihre ansonsten sehr gute Rede beim Neujahrsempfang doch etwas zu zuversichtlich. Wir hätten uns etwas mehr Realismus gewünscht, um unsere Bürger über die sehr schwierige - um nicht zu sagen katastrophale – Haushaltslage aufzuklären.

 

Noch ein Wort zu den geplanten Investitionen:

 

Mit dem Neubau Kiga Zarten, der Containeranlage für den ev. Kindergarten, der Digitalisierung in vielen Bereichen, dem Neubau der Feuerwehrhalle für die Abrollbehälter, der Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen, dem Bau eines Retentionsfilterbeckens an der L 126 und vielem mehr, sind fast ausschließlich Maßnahmen aus dem Bereich der gesetzlichen Pflicht aufgaben zu finanzieren.

 

Dass hierfür trotz noch vorhandener Rücklagen eine Kreditaufnahme von 6,4 Mio € (evtl. 7,0 Mio €, wenn Sanierung Wohnbau erhöht wird) erfolgt, halten wir für richtig. Zum Einen müssen wir in Pflichtaufgaben investieren und schaffen dadurch Vermögenswerte, zum Anderen wird  vorhandenes Vermögen (zB. Gemeindewohnungen) gesteigert und weiterer Werteverlust verhindert. Wenngleich man bei soviel Krediten und Schulden nicht unbedingt von einer „generationengerechten Haushaltspolitik“ sprechen kann, so sind 11,15 Mio € Schulden und 5,04 Mio € Rücklagen am Ende des Haushaltsjahres 2023 noch tragbar!

 

Oder anders ausgedrückt: Um unsere Pflichtaufgaben, die Aufgaben der Daseinsvorsorge und den Erhalt des bestehenden Gemeindevermögens zu sichern bzw zu erfüllen, haben wir keine andere Wahl.

Wir sind ratlos und frustriert – wie schon bei den Beratungen im Ausschuß - haben keine kurzfristige Lösung parat, und blicken nicht ohne Sorge in die Zukunft! Trotzdem stimmt die SPD-Fraktion – mit gewaltigen Bauchschmerzen - dem Haushaltsplan 2023 zu.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, erlauben Sie mir zum Schluß noch einen Ausblick auf das kommende Jahr, in welchem wichtige Projekte anstehen: u.a.

 

  • Bebauung Kirschenhof
  • Konzept für Folgenutzung „Altes Rathaus“
  • Umsetzung unseres Antrages vom Dezember 2021 zum „Anwohner-Parken“
  • Sädtebaulicher Entwurf und Bebauungsplan des 5. Wohnhof
  • Aufstellen von Bebauungsplänen innerhalb des Sanierungsgebietes „Ortsmitte“ im Besonderen die Bereiche „Fortuna“ und „Getränke Rettich“
  • Photovoltaik-Anlage auf die Talvogtei-Scheunen und Überbauung des Bahnhofparkplatzes, wie Sie es in Ihrer Neujahrsansprache angekündigt haben
  • Kommunale Wärmeplanung und Machbarkeitsstudie für Burg-Höfen und Burg-Birkenhof

Alle diese Projekte sollten Sie, Herr Bürgermeister – persönlich unterstützen und dafür sorgen, dass mit Vehemenz an der Verwirklichung und Umsetzung gearbeitet wird!

 

Kurz: Sie sollten sie zur Chefsache machen!

 

Schlußendlich darf ich der Verwaltung, insbesondere den Herren Vedder und Ehricke für das umfangreiche - manchmal auch verwirrende – Zahlenwerk danken!

 

Anmerkung des SPD Ortsvereins Dreisamtal: Wir danken den Gemeinderäten unserer Fraktion ganz herzlich für Ihre tolle Arbeit und ganz besonders Peter Meybrunn, der sich schon lange für unsere Gemeinde engagiert und diese Rede im Gemeinderat gehalten hat.

 

*Leitung des Fachbereichs "Planung, Qualitätsentwicklung und Bildung" im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald

 
 

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