Straßen unter Strom!

Veröffentlicht am 03.04.2021 in Ortsverein

Ein Artikel aus der dritten Ausgabe unserer Zeitung (pdf) von Bernd Engesser, hier in voller Länge.

Ich widerspreche Helmut Schmidt, der einst meinte, „Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen“. Ich bin sicher, ohne Visionen gibt es keinen Fortschritt. Es waren immer die „Verrückten“, die Lösungsideen entwickelten, die große Probleme lösten. Und wir stehen vor einem riesigen Problem: der Klimakatastrophe.
Ich möchte Ihnen eine Vision vorstellen: B31 unter Strom!


Ein paar Zahlen vorab:
Die Sonne liefert pro Jahr eine Energiemenge von etwa 1,5*1018 kWh also 1.500.000.000.000.000.000 kWh auf die Erdoberfläche. Das ist das 10.000-fache des Weltenergiebedarfs der gesamten Menschheit im Jahr 2010. (Wikipedia)
Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas ist folglich nicht nur unsinnig und klimaschädlich. Es ist auch verzichtbar, wenn es gelingt diese Sonnenenergie überall und jederzeit nutzbar zu machen.
Sonnenenergie lässt sich sowohl direkt durch Photovoltaikanlagen (für Strom) oder Solarthermie für die Wärmegewinnung nutzen, als auch indirekt mittels Wasserkraftwerken, Windkraftanlagen oder Biomasse.
Das Problem bei der direkten Nutzung ist der hohe Flächenbedarf für Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) bzw. thermische Sonnenkollektoren. So wird etwa 1 Hektar, also 10.000 m² PV-Fläche benötigt, um in Baden-Württemberg pro Jahr etwa 500.000 kWh Strom zu erzeugen. (www.solaranlagen.eu)


Die Situation in Baden-Württemberg
Der Stromverbrauch in Baden-Württemberg lag im Jahr 2017 bei 72,2 Mrd. kWh, ausgeschrieben 72.200.000.000 kWh. (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg). Um diese Strommenge ausschließlich mit PV-Anlagen zu erzeugen würde eine Fläche von 144.400 Hektar benötigt.
Ganz Baden-Württemberg hat eine Bodenfläche von  3.574.830 Hektar. Zur Erzeugung des in Baden-Württemberg verbrauchten Stroms müssten also 4,04% der Bodenfläche mit PV-Anlagen überbaut werden.
Die Wohn- und die Industrie- und Gewerbegebäude bedecken etwa 226.178 Hektar Bodenfläche. Um den gesamten Energiebedarf abzudecken, müssten 63,84% dieser Gebäudegrundflächen mit PV-Anlagen überbaut werden. Dies ist aus baulichen Gründen nicht möglich, da die Dächer falsch ausgerichtet sind, die Gebäude verschattet sind oder die Gebäudestatik dies nicht zulässt. (Einer der vielen Gründe bei Neubauten nur noch Flach- oder flachgeneigte Pultdächer zuzulassen).
Realistisch erscheint es möglich, etwa 84.817 Hektar PV-Fläche auf Dächern in Baden-Württemberg zu installieren, das entspricht 37,5% der überbauten Bodenfläche. Damit könnten etwa 42,4 Milliarden kWh Strom erzeugt werden.
2019 wurden 2,9 Mrd. kWh Strom aus Windenergieanlagen ins Netz eingespeist, 1,5 Mrd. kWh aus Wasserkraft und 4,2 Mrd. kWh aus Biomasse, insgesamt also 8,625 Milliarden kWh aus diesen Erneuerbaren Energiequellen.


Diese Strommenge und die Menge aus den theoretisch möglichen Dach-PV-Anlagen ergibt etwa 51 Mrd. kWh. Es besteht also noch eine Lücke bis zur Vollversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien.
Um diese Lücke aufzufüllen werden derzeit Versuche unternommen, Agrar- und Wasserflächen mit PV-Anlagen zu überbauen. Dies erscheint mir aber nur in Ausnahmefällen sinnvoll, da dies ein massiver Eingriff ins Landschaftsbild darstellt.
Warum nicht die hässlichen und ökologisch wertlosen Verkehrsflächen wie Parkplätze und Straßen überbauen? Davon gibt es in Baden-Württemberg 102.000 Hektar. (Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2019)
Es gibt bereits gute Erfahrungen mit der Überbauung von Parkplätzen. Dort wird nicht nur Strom erzeugt, sondern durch die Beschattung der Parkplätze heizen sich auch die dort parkenden Autos im Sommer nicht auf. Die Trägergestelle können auch begrünt werden, was dem Mikroklima gut tut.


Ein noch viel größeres Potential als Parkplätze bietet allerdings die Überbauung von Straßen. Dort könnten die Trägersysteme und die Überdeckung mit PV-Modulen auch zur Reduzierung des Verkehrslärms genutzt werden. Die optische Beeinträchtigung der Umwelt wäre kaum vorhanden, da Straßen auch ohne Überbauung nicht besonders ansprechend aussehen und keinerlei ökologischen Wert haben.
Tatsächlich überbaubar sind aber vermutlich nur etwa 6% der Verkehrsflächen, also 6.120 Hektar. Damit könnten noch einmal etwa 3 Milliarden kWh Strom pro Jahr erzeugt werden, immerhin 4,24% des aktuellen Bedarfs.
Damit wären etwa 75% des benötigten Stroms durch im Bundesland selbst erzeugte erneuerbare Energie abgedeckt. Aktuell liegt der Anteil noch bei 45%.


Aktuell gibt es Forschungsprojekte zur Überbauung von Autobahnen
Dr. Martin Heinrich vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme Freiburg (ISE) und dort Leiter des Projekts „PV-Straßenüberdachung“ meinte in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk am 10.08.2020, dass mit einer Überbauung der deutschen Autobahnen 10% des gesamten deutschen Stromverbrauchs erzeugt werden könnte.


Das ISE beschreibt das Projekt „PV-Straßenüberdachung“ folgendermaßen:
Durch die PV-Überdachung von Straßenabschnitten sollen folgende Ziele erreicht werden:
    • Energiegewinnung durch photovoltaische Module
    • Flexibler Einsatz im hochrangigen Straßennetz (z.B. auch bei Rastplätzen, Mautanlagen, Verkehrskontrollplätzen, Brücken, Tunnelportalen)
    • Steigerung der Verkehrssicherheit (Fahrbahnzustand, Beleuchtung)
    • Erhöhung der Dauerhaftigkeit und Erhaltung der Oberflächeneigenschaften der Fahrbahn durch Schutz vor Überhitzung, Niederschlägen
    • Zusätzlicher Lärmschutz
Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Prototyps einer Photovoltaik-Straßenüberdachung, der Bau und die messtechnische Begleitung eines entsprechenden Demonstrators sowie die Evaluierung der photovoltaischen Aspekte und der möglichen positiven Nebeneffekte einer solchen Anlage.


Der ideale Standort für dieses Projekt ist nach unserer Meinung das Dreisamtal!
Die konkrete Vision: B31 unter Strom – Überbauung mit PV-Modulen.
Die B31 auf der Gemarkung Kirchzarten hat zwischen den Anschlussstellen Freiburg-Littenweiler und Buchenbach eine Länge von etwa 7.000 Metern. Würde diese Fläche vollständig mit PV-Modulen überbaut, ergäbe sich bei einer Breite der Überbauung von etwa 13,5 Metern eine Gesamtfläche von etwa 9,45 Hektar. Aus dieser Fläche könnten etwa 4.725.000 kWh Strom pro Jahr gewonnen werden. Das wären etwa 16% des Gesamtstromverbrauchs der Gemeinde Kirchzarten in einem Jahr!


Bei einer Höhe von 5 Metern der Trägersysteme sind keine Verkehrsbehinderungen zu erwarten. Neben dem Stromertrag wäre ein Sonnenschutz vorhanden, der Blendung der Verkehrsteilnehmer verhindert und die Hitze- und Niederschlagseinwirkung auf die Fahrbahn und damit deren Verschleiß reduziert. Auch Lärmschutz könnte mit integriert werden.  
Die solare Einstrahlung unterliegt tages- und jahreszeitlichen Schwankungen von Null bis zum Maximalwert der Bestrahlungsstärke von etwa 1.000 W/m² (Wikipedia). Um sicher zu stellen, dass immer ausreichend Energie in die Stromnetze eingespeist werden kann, werden Energiespeicher benötigt. Gerade Großanlagen wie die überbaute B31 müssen deshalb konsequent mit Energiespeichern kombiniert werden. Dies können Batteriespeicher sein oder durch Elektrolyse erzeugter speicherbarer Wasserstoff oder Methan. Durch das Speichern treten zwar Energieverluste auf, aber der Vorteil der zeitunabhängigen Nutzung gleicht dies aus.


Wie kann ein solches Projekt umgesetzt werden?
Betreiber einer solchen PV-Großanlage könnten Energieversorger wie die EWK sein. Möglich ist es aber auch, eine solche Anlage durch eine Bürgerenergiegenossenschaft zu erstellen und zu betreiben. Eine enge Kooperation mit dem Freiburger Fraunhoferinstitut für Solare Energiesysteme (ISE) bietet sich für ein solches Pilotprojekt an. Vermutlich sind auch Mittel aus der Forschungsförderung erhältlich, um eine Anschubfinanzierung zu erreichen.
Die Gestehungskosten für Strom aus erneuerbaren Energien sind inzwischen vergleichbar mit denen aus fossilen Brennstoffen. Mit steigendem CO2-Preis wird sich dies zugunsten der Erneuerbaren weiter verbessern.
Jetzt braucht es nur noch ein paar weitere „Verrückte“, die das visionäre Projekt in Gang bringen. Sind Sie dabei? Dann eine kurze Mail an kontakt@spd-dreisamtal.de

Weblinks:
https://www.energiezukunft.eu/erneuerbare-energien/solar/solardach-ueber-der-autobahn/
https://www.labor3.ch/portfolio/tst/
https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/pv-sued.html

Bild von Labor3 Architektur GmbH (Vielen herzlichen Dank!)

 

 

 

 
 

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Die Kobolde grüßen

Und wo kommt Nachts der Strom her?

Warum steigt meine Stromrechnung seit 15 Jahren immer weiter, wo es angeblich so günstig ist, aus "Erneuerbaren"?

Und konventionellen Strom teurer machen (CO2-Steuer), damit er schlechter dasteht, macht Solar und Wind nicht billiger. Nur den Strom noch teurer. Sollte man als SPD vielleicht mal berücksichtigen. Aber SPD halt!

Autor: Matthias G., Datum: 24.04.2021, 20:10 Uhr


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