Die Bedeutung der Qualität in der Kinderbetreuung
Eine gute Kinderbetreuung kann den Grundstein bilden, die Entwicklung von Kindern unabhängig von der Situation im Elternhaus zu fördern. Die Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Fachkräfte das entsprechende Wissen und die Ressourcen dafür haben.
Gute Qualität in der Betreuung
Wenn wir von einer guten Qualität in der Kinderbetreuung sprechen, dann bedeutet dies vor allem, dass die Erzieher*innen in der Einrichtung sich nach den Bedürfnissen der Kinder richten. Je jünger die Kinder, desto mehr Betreuungsfachkräfte müssen vorhanden sein, damit die Erzieher*innen Zeit haben, um auf die Bedürfnisse einzugehen. Bei Kindern unter drei Jahren sollte der Betreuungsschlüssel bei drei bis vier Kindern pro Fachkraft liegen, damit gewährleistet ist, dass das Kind eine feste Ansprechperson hat, auf die es sich verlassen kann und die sozusagen den „sicheren Hafen“ bildet. Eine gute Betreuung erfordert, dass die Fachkraft für die Signale des Kindes empfänglich ist, das Bedürfnis des Kindes erkennt und auf die Gefühle und Absichten des Kindes eingeht.
Dadurch, dass die Bezugsperson auf die Bedürfnisse nach Zuwendung, nach Lernen, Essen und Schlafen eingeht, lernt das Kind Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Mit dieser Überzeugung kann es die Welt erkunden, sich entfalten und sich zu einem einfühlsamen erwachsenen Menschen entwickeln, der seine Umwelt positiv wahrnimmt. Kinder, die in den ersten Jahren positive Erfahrungen, im Sinne von Zugewandtheit und Bedürfnisorientierung, machten, haben häufig eine höhere Widerstandskraft und können besser mit schwierigen Lebenssituationen umgehen.
Für eine qualifizierte Betreuung von Kleinkindern ist es außerdem unabdingbar, dass das Personal jedes einzelne Kind als ein vollwertiges menschliches Wesen anerkennt, das eigene Absichten hat und auf seine Äußerungen eine Reaktion erwartet. In diesen Interaktionen entwickeln Kinder dann Kompetenzen und ein Verständnis von sich selbst.
Die amerikanische NICHD-Studie* belegt den Zusammenhang des Einflusses von Familienfaktoren und der außerfamiliären Betreuung auf die kindliche Entwicklung. Festgestellt wurde u.a., dass Kinder die ein liebevolles Elternhaus hatten und eine gute Betreuung in den Einrichtungen erfahren haben, eine sehr gute Sprachentwicklung hatten. Außerdem waren ihre sozial- und emotionalen Kompetenzen sehr früh ausgebildet. Weiterhin gibt es deutliche Zusammenhänge bzgl. der Entwicklung von Kindern, die zu Hause keine idealen Bedingungen erleben, jedoch eine außerfamiliäre Einrichtung mit hoher Qualität besuchen. Hier können viele negative Erfahrungen ausgeglichen werden, was sich positiv auf die gesamte soziale Entwicklung des Kindes auswirkt.
Gute Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte
Der gesamte Bereich der Arbeit mit Kindern beinhaltet auch die Kompetenz, eine Gruppe zu leiten. Hieraus ergeben sich häufig komplexe gruppendynamische Prozesse. Diese müssen von den Erzieher*innen hinterfragt und aktiv gestaltet werden.
Die Arbeit mit Kindern stellt hohe Ansprüche an die Belastbarkeit des Personals. Daher müssen die Arbeitsbedingungen entsprechend ausgestaltet werden. Faktoren, wie ein häufiger Wechsel im Team, knappe Personalressourcen, Zeitmangel im Tagesablauf sowie geringe Wertschätzung und Bezahlung tragen dazu bei, dass viele an ihre Belastungsgrenzen kommen.
Diese Problemlage ist ein strukturelles Problem in unserem System. Lediglich einzelne organisatorische Punkte können von den Trägern selbst gelöst werden. Die anderen Aspekte müssen von politischer Seite debattiert und verändert werden.
Arbeitswelt und Kinderbetreuung
Im Zusammenhang mit einer sich verändernden Arbeitswelt, in welcher Frauen hervorragend ausgebildet sind und häufig beide Elternteile arbeiten (müssen), verbringen Kinder ggf. viel Zeit in den Einrichtungen. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit einer guten Betreuung zum einen für eine gesunde Entwicklung der Kinder, aber auch für eine funktionierende Familie. Nur wenn sich Eltern auf die Qualitätsstandards in jeder Einrichtung verlassen können, können Sie mit einem guten Gefühl ihrer Arbeit nachgehen.
In Baden-Württemberg sind die Betreuungsschlüssel vergleichsweise günstig. Angesichts der schwierigen finanziellen Situation vieler Kommunen ist es wünschenswert, dass diese Qualität erhalten bleibt. Außerdem müssen sich die Betreuungszeiten stärker an den Arbeitszeiten der Eltern ausrichten und z.B. auch Randzeiten abgedeckt werden. Für die Fachkräfte fordert die SPD eine höhere Entlohnung der Pädagog*innen, denn Kindertagesstätten und Kindergärten sind keine Betreuungs-, sondern Bildungseinrichtungen!
* Bei der "NICHD“-Studie wurden Familien begleitet, in welchen die Kinder entweder zu Hause oder außerfamiliär betreut wurden. Außerdem wurde darin unterschieden, welchem sozialen Milieu die Herkunftsfamilien angehörten.
Jennifer Sühr
(Vorsitzende der SPD Dreisamtal, der Artikel erschien 2021 in unserer Zeitung)
