Kirchzarten: Die Black Forest Studios sind seit 1. Mai Hauptmieter im Kurhaus Kirchzarten. (Bericht in der Badischen Zeitung hier und hier)Der Gemeinderat hat im Umlaufverfahren grünes Licht gegeben, die SPD Fraktion kritisiert jedoch, dass die Entscheidungen im Hintergrund gefallen sind. Hier die Stellungnahme der Fraktion an den Bürgermeister Andreas Hall im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
da es durch die Entscheidung via Umlaufverfahren nur um schwarz oder weiß geht, können/werden wir dem Mietvertrag nicht zustimmen.
Es geht uns dabei nicht um das Nutzungskonzept von Herrn Weiland oder die Inhalte des Mietvertrags, denen wir größtenteils zustimmen können. Es geht vielmehr um die
Art und Weise, wie dieser zustande gekommen ist. Durch Einstufung des Vorgangs auf einen „einfachen Mieterwechsel“ und die Einschränkungen durch die Corona-Krise wird hier der Öffentlichkeit und einer öffentlichen Diskussion des Gemeinderats aus dem Weg gegangen.
Da der Vorgang bis zum 29.4. noch inoffiziell ist, gibt auch es keine Möglichkeit zu einer öffentlichen Stellungnahme. Das ist bei all unseren guten Absichten und Versprechen aus Wahlkampf und Klausurtagung nicht zu akzeptieren. Und auch nicht zu verstehen. Die finanzielle Not der Gemeinde, die scheinbar glückliche Fügung und der Zeit- und Entscheidungsdruck von Hr. Weiland dürfen hier nicht ausschlaggebend sein, sondern der Wille um Transparenz und die Verpflichtung, unsere Bürger*innen bei relevanten Entscheidungen mitzunehmen. Wenn wir es wirklich alle gewollt hätten, hätte es einen Weg der Öffentlichkeit gegeben, den auch Herr Weiland mitgegangen wäre, oder hätte mitgehen müssen.
§ 20 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg „Unterrichtung der Einwohner“sagt eigentlich alles:
(1) Der Gemeinderat unterrichtet die Einwohner durch den Bürgermeister über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde und sorgt für die Förderung des allgemeinen Interesses an der Verwaltung der Gemeinde.
(2) Bei wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die unmittelbar raum- oder entwicklungsbedeutsam sind oder das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner nachhaltig berühren, sollen die Einwohner möglichst frühzeitig über die Grundlagen sowie die Ziele, Zwecke und Auswirkungen unterrichtet werden. Sofern dafür ein besonderes Bedürfnis besteht, soll den Einwohnern allgemein Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden.
Und § 37 „Beschlussfassung“ regelt, wie mit relevanten Themen umgegangen werden muss:
(1) Der Gemeinderat kann nur in einer ordnungsmäßig einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen. Über Gegenstände einfacher Art kann im Wege der Offenlegung oder im schriftlichen oder elektronischen Verfahren beschlossen werden; ein hierbei gestellter Antrag ist angenommen, wenn kein Mitglied widerspricht.
Das neue Nutzungskonzept ist keineswegs von „einfacher Art“, vor allem aber ist es in vielerlei Hinsicht eine „bedeutsame Angelegenheit“. Wenn wir uns vor Augen halten, wie lange wir (die Bevölkerung, die Fachleute und der Gemeinderat) uns am Hotelprojekt mit allerlei Winkelzügen, Mutmaßungen und Halbwahrheiten aufgerieben haben, können wir diese Entscheidung „durch die Hintertüre“ nicht verstehen. Klar, die momentane Ausnahmesituation gibt uns die Möglichkeit. Die (Aus)Nutzung dieser Situation ist ja gerade in aller Munde. Aber müssen wir es deshalb auch tun und hätte es keinen anderen Weg gegeben? Das ist zu kurz gedacht.
Warum hat Herr Weiland Angst vor der öffentlichen Diskussion? Warum befürchtet er, dass der Gemeinderat dann einknicken könnte? Das hieße ja im Umkehrschluss der Gemeinderat hat jetzt nicht im Sinne der Öffentlichkeit/Einwohner gehandelt bzw. entschieden. Oder hat er Angst um Tragfähigkeit seines Konzepts? Ein Konzept übrigens, von dessen Erfolg wir alle mehr oder weniger überzeugt, mache sogar geblendet, sind, ohne wirklich Ahnung vom Filmgeschäft zu haben oder es zu hinterfragen. Wir glauben/hoffen alle, dass es gut geht. Wenn wir dagegen an die vielen kritischen „Hotel- und Tourismus-Experten“ denken …
Fast der gesamte Mietvertrag ist ein Vertrag „pro Weiland“. Er gibt größtenteils die Spielregeln vor. Das kann man so akzeptieren. Wir binden uns bis 2045 an einen neuen Mieter und „ergeben“ uns seinen Forderungen. Das komplett neue Nutzungskonzept wird das Gebäude, das Kurhausareal und ggf. angrenzende Flächen in Funktion und Gestalt nachhaltig ändern. Die Parkplätze vor dem Kurhaus werden wegfallen. Die Nutzungsgebühren werden verdreifacht, die Spielregeln ändern sich. Alles Gründe genug, dies sehr differenziert zu kommunizieren und schnellstmöglich in einen städteplanerischen Kontext zu stellen. Wir brauchen ihn, diese Situation spielt ihm in die Karten. Er braucht aber auch uns,
für diesen einmaligen Standort, für sein neues Aushängeschild, für viel Raum in kurzer Zeit. Da hätten wir beim ein oder anderen Punkt sicher mit breiterer Brust verhandeln können.
Hier kommen wir zu Punkt 2 unserer Ablehnung: die Regelung der Nutzung des Kurhauses durch die Vereine.
Sehr zu begrüßen ist, dass die jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen nun vertraglich gesichert sind. Das ist aber auch das Mindeste, wenn wir davon ausgehen, dass wir das Kurhaus als Veranstaltungsort für Vereine, für Vorträge und andere Veranstaltungen (z.B. Einwohnerversammlung) brauchen und erhalten wollen. Diese Tatsache sollte aber über die sehr günstige Miete bereits abgegolten sein, selbst
wenn die bis jetzt vereinbarte Miete dadurch noch weiter reduziert wird. Das wäre ehrlicher als eine „Quersubventionierung“ der Mieten über fiktive Raumnutzungsgebühren, denen keine konkrete Leistung des Mieters gegenüberstehen. Wir zahlen so fast die halbe Miete wieder über die Nutzung zurück. Und wenn jetzt auch noch die GR-Sitzungen im Kurhaus stattfinden, wird es noch mehr.
Das Argument, dass die Gemeinde ja die 600 Euro Miete übernimmt und somit ihre Wertschätzung gegenüber den Vereinen ganz transparent zeigt, teilen wir nur bedingt.
Wäre die Wertschätzung höher, wenn die Miete 1.000 Euro betragen würde? Die im Anhang des Mietvertrags erwähnten Vereine/Gruppierungen sollten ohne weitere finanzielle Regelungen das Kurhaus nutzen können. So vermeiden wir unnötige Diskussionen und geben auch keine Angriffsfläche für Sparmaßnahmen. Das wäre in unseren Augen echte Wertschätzung.
Entschuldigen Sie, dass wir so hartnäckig auf dem Thema Öffentlichkeit bestehen.
Auch dafür sind wir im Gemeinderat angetreten, fühlen uns dazu verpflichtet und können und wollen dies nicht mit einem einfachen zustimmenden Zweizeiler abhaken.
Mit freundlichen Grüßen
die SPD-Fraktion im Gemeinderat Kirchzarten
Sabine Beck, Peter Meybrunn, Benny Rudiger, Stefan Saumer